Hochsensitivität oder Hochsensibilität (HS)

In den letzten Jahren wird vermehrt über Hochsensitivität oder Hochsensibilität (kurz: HS) gesprochen und geschrieben. Umgangssprachlich wird HS auch als Hypersensitivität bezeichnet. Oft klingt es, als würde es sich dabei um eine Störung, im Sinne einer Krankheit, handeln. Doch hochsensitive oder hochsensible Personen (HSP) haben weder eine neurotische Überempfindlichkeit noch eine irgendwie pathologische Störung.

 

HS umschreibt vielmehr einen Teilaspekt einer Persönlichkeit, eigentlich sogar eine ganz gesunde Facette der Persönlichkeit, eher eine Fähigkeit, eine Art Hochbegabung. Hochsensible empfinden nämlich intensiver. Sie nehmen ihre Umwelt oft facettenreicher wahr als nicht-hochsensible Menschen, sind begeisterungsfähiger und meist in der Lage angenehme Emotionen viel tiefer zu erleben und diese so richtig auszukosten. Das liegt an mehreren Faktoren unter anderem an der Verarbeitung von Sinnesreizen.

Gar nicht selten fühlen sich HSP durch ihre Begabung gestört und/oder beeinträchtigt. Deshalb ist es umso wichtiger, sich sowohl gut über die HS zu informieren als auch sich selbst gut zu kennen, sich gut einschätzen zu können um gut für sich zu sorgen …

 

 

Verarbeitung von Reizen

Durch die Art der Reizverarbeitung im Gehirn werden die individuellen Wahrnehmungen der Reize unserer fünf Sinne (riechen, schmecken, fühlen, sehen und hören) mehr oder weniger intensiv erlebt. Unsere Sinne registrieren in der Regel sehr viel mehr Reize, als uns bewusst werden. Das liegt daran, dass es quasi einen Filter gibt der, wie ein Wächter, nur die als relevant beurteilten Sinneswahrnehmungen für eine weitere Verarbeitung an unser Gehirn, durchlässt. Dies soll verhindern, dass uns zu viele Reize überfluten. Es gibt aber keine Norm für das, was ein Filter als relevant beurteilt. Denn dieser Filter ist lernend und sehr individuell.

 

 

Merkmale einer HSP

HS zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass deutlich mehr Eindrücke als relevant beurteilt werden, durchkommen und dann verarbeitet werden müssen. Seit den 1990er Jahren wird das Phänomen der HS intensiver wissenschaftlich erforscht und wurde durch Elaine N. Aron auch außerhalb der wissenschaftlichen Forschung bekannt. Sie hielt im Rahmen ihrer Forschungen vier Merkmale fest, die eine HSP auszeichnen:

  • Sensorische Sensitivität
    … eine niedrige sensorische Reizschwelle der Wahrnehmung (besonders viele, auch schwach ausgeprägte Sinneseindrücke) und das kann sich auf äußere (wie Geräusche und Gerüche), auf innere (wie Gedanken und Gefühle) und/oder auf soziale Reize (wie die Stimmungen anderer) beziehen.

 

  • Erhöhte emotionale und körperliche Reaktion auf Sinnesreize
    … reizintensive Situationen führen schnell zu einer Überstimulierung/Überreizung (zeigz sich z.B. durch intensive positive und negative Gefühle und/oder durch erhöhte Anspannung und Nervosität).

 

  • Vertiefte Informationsverarbeitung
    … Sinneseindrücke werden sehr gründlich verarbeitet (kann zu besonders langem Nachdenken über Erlebtes führen, oder dazu, dass Wissen vertiefter abgespeichert wird)

 

  • Verhaltenshemmung
    Oft wirken HSP in neuen Situationen oder gegenüber Fremden schüchtern (Um eine Überreizung zu vermeiden, warten sie ggf. beobachtend ab, bevor sie aktiv werden oder sie ziehen sich präventiv zurück)

 

 

Schrittweise Vorgehensweise nach Aron

 

Aron fand zudem heraus, dass HSP am meisten von einer Vorgehensweise in vier Schritten profitieren:

 

 

    • Selbsterkenntnis:
      • Verstehen, was die HS für Sie bedeutet, wie dies mit Ihren anderen Persönlichkeitsfacetten zusammenpasst und welche Einflüsse von außen Sie geprägt haben. Sie sollten Ihren Körperempfindungen gut kennen und die Signale Ihres Körpers beachten.

 

 

    • Neubewertung:
      • Mit den neuen Erkenntnissen können Sie (ggf. mit Unterstützung) Ihre Vergangenheit, zumindest teilweise(*), neu bewerten. Denn HSP wurden hochsensibel geboren. Scheinbare Misserfolge waren unvermeidbar, denn weder Sie selbst haben sich verstanden, noch wichtige andere Personen (wie Eltern, Lehrer, Freunde und Kollegen). Wenn Sie Ihr Erleben von damals heute besser verstehen, dient dies Ihrer Selbstachtung, Ihrer Selbstwertschätzung und Ihrem Selbstmitgefühl. Diese wiederum sind hilfreich um mit neuen (stressenden) Situationen umzugehen.(*) „teilweise“: Bei der HS sind oft gar nicht alle fünf Sinne betroffen. Möglicherweise müssen Sie deshalb auch nur Teile in Ihrer Vergangenheit neu bewerten.

 

    • Heilung:
      • Nehmen Sie sich Zeit für die behutsame Heilung Ihrer Wunden, die in der Vergangenheit, meist durch Unkenntnis entstanden sind. Vermutlich haben Sie Familien-, Schulprobleme, … Streit und/oder Kinderkrankheiten, intensiver erlebt, als die meisten anderen Menschen, ohne dabei auf Verständnis zu gestoßen zu sein und konnten die dann auch nicht adäquat verarbeiten.

 

    • Hilfe/Selbsthilfe:
      • Lernen Sie mit Geduld und Verständnis sich selbst und Ihre fünf Sinne besser kennen. Finden Sie heraus was Ihnen zu viel oder zu wenig ist, was Sie benötigen um sich wohl zu fühlen und wann Sie sich eher zurückziehen wollen.

 

 

 

 

Wenn Sie glauben, Sie sind von HS betroffen sind, wenn Sie sich besser verstehen (lernen) möchten und/oder besser für sich sorgen (lernen) wollen, nehmen Sie gerne mit mir Kontakt auf.